CRUCIFIXUS


Kreuzige ihn, kreuzige ihn! Weg, weg mit dem!“ schreit die Meute unter dem Kreuz auf Golgatha. Sie wollen nicht geliebt, sie wollen nicht ermahnt werden. Die radikale Umkehr zu Gott hin ist zu viel verlangt. Das kann von ihnen kein Mensch fordern. Auch nicht der unbegreifliche Gottessohn. Die Juden sind erbost. Sollen sie denn alle Gesetze - seit Moses auch die Grundlage für ihren allei­nigen Anspruch Gottes Kinder zu sein - verwerfen? Sie wollen sich nicht erniedrigen, auch nicht vor Gott. Die Schriftgelehrten und Pharisäer bangen um ihre Vormachtstellung.


Und die Römer, die Besatzungsmacht? Sie werden einen autonomen König der Juden nicht akzep­tieren. Besser der eine stirbt als das ganze Volk der Juden, ein Totschlag-Argument.

Pilatus kann seine Hände nicht in Unschuld waschen. Er hat zwar diesen Jesus aus Nazareth auch nicht begriffen, aber ein König der Juden kann ihm gefährlich werden. Also - weg mit dem!


Und wir heute? Wer wirft denn seine Vorurteile über Bord? Wer will denn dienen, wo er doch herr­schen könnte? Wie schnell wird heute ein Christ verurteilt oder gar verfolgt! Schnell ausscheren aus der Schar der Verlierer!


Petrus ist unser Vorbild: „Ich kenne diesen Menschen nicht.“, man will sich als Christ doch nicht verspotten oder verurteilen lassen. Das Ansehen bei den Menschen ist wichtig - auch heute sehr, sehr wichtig. Also schnell zurück in die Geschichte: die Juden sind schuld oder die Römer vor fast 2000 Jahren, und nur wer schuldig ist, bedarf eines Gnadenzuspruchs. Für einen heute schuldlosen Menschen muss sich keiner opfern. So sind wir nun fein raus - schuldlos an der Hinrichtung des Gottessohnes: wir ohne Nächstenliebe, egoistisch ganz auf uns gestellt, die Macher auf diesem Pla­neten. Ohne Gottesfurcht blicken wir in das riesige, rätselhafte Universum oder suchen die kleinsten Bestandteile der Materie und glauben die Welt zu ergründen - ohne ihren Schöpfer. Unbegreiflich.


Klaus Ziegenhagen